Die gemeinsamen Ansichten von Judentum und Islam Eine Brücke für die interkulturelle Verständigung

Wenn man nur auf die Medien hörte, könnte man meinen, der jüdische Glauben und der Islam seien diametral entgegengesetzte Religionen. Aber die Wahrheit kann nicht weiter entfernt sein. Juden und Muslime haben außerordentlich viel gemeinsam. Dieser gemeinsame Boden sollte als Basis für den Frieden dienen.

Unglücklicherweise sehen sich in der Welt von heute viele Juden und Muslime als einander diametral entgegengesetzt. Sie meinen, ihre Religionen seien unähnlich und hätten wenig Gemeinsamkeiten – und sogar, dass sie einander feind sind. Die Situation wird von den Medien oft verschlimmert. Sie können aus dem politischen Klima Nutzen ziehen, indem sie Spannungen für ihr eigenes Marketing oder aus Gründen des Profits reißerisch übertreiben.

Viele Juden und Muslime erkennen nicht, dass sie zahlreiche religiöse Ansichten gemeinsam haben. Ich glaube, viele würden diese Gemeinsamkeiten als eine Brücke zu mehr interkultureller Verständigungerachten,wenn man sie über die vielen Beziehungen zwischen jüdischem Glauben und Islam aufklärte.

Der gemeinsame Glaube an einen Gott

Eine der grundlegendsten Gemeinsamkeiten zwischen jüdischem Glauben und Islam ist ihr streng monotheistischer Glaube an einen Gott. Juden zitieren den folgenden Vers aus Deuteronomium 6,4 als Teil ihrer täglichen Gebete: „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig.“ Dies ist wahrscheinlich das bekannteste jüdische Glaubensbekenntnis, weil es einen absoluten Monotheismus und den Glauben an die absolute Einheit Gottes zum Ausdruck bringt. Der mittelalterliche jüdische Philosoph Maimonides behauptete: „Gott ist einer. Er ist nicht zwei oder mehr, sondern einer, vereinigt auf eine Weise, die jede Einheitin der Welt übersteigt.“[i]

Die Ähnlichkeit mit der Schahada, der ersten Säule des Islams, ist offenkundig. Darin stellen die Muslime fest, dass es „außer Allah keinen Gott gibt“. Ähnlich lautet das Bekenntnis in Koran 112,1: „Sagt: Er – (Er ist) Gott, (der ist) der Einzige von absolutem Einssein.“

Sowohl das Judentum als auch der Islam lehren, dass Gott es war, der das Universum geschaffen hat. Die hebräische Bibel beginnt mit dieser Aussage: „Am Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.“Entsprechend heißt es in Koran in 7,54: „Gewiss, euer Herr ist Allah, Der die Himmel und die Erde in sechs Tagen erschuf.“

Beide Religionen behaupten, dass es Gott ist, der denMenschen schafft und formt. Die hebräische Bibel stellt in Genesis 2,7 fest: „Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden.“ Eine Parallele findet sich im Koran in 40,65: „Er ist es, Der euch aus Erde erschaffen hat.“

Hohe Wertschätzung der hebräischen Bibel und der biblischen Propheten

Die traditionelle jüdische Religion gründet sich auf den Glauben, dass die hebräische Bibel das heilige Wort Gottes ist. Die Thora wird als das heiligste Buch der Bibel erachtet, weil nach der rabbinischen Tradition Moses nicht nur die zehn Gebote auf dem Berg Sinai von Gott empfing, sondern auch die ganze Thora von Gott stammt. Die Gebote, Lehren und theologischen Ansichten der Thora kommen aus dem Zentrum dessen, was Juden glauben und wie sie sich zu verhalten haben.

Der Koran sieht die Überlieferung des göttlichen Wortes als einen Prozess, der sowohl die hebräische Bibel als auch das christliche Neue Testament umfasst. 3,3–4 bestätigt:

„Er sendet dir das Buch mit der Wahrheit in Teilen herab als Bestätigung der früheren Offenbarung (d. h. ihres göttlichen Ursprungs und der Wahrheit, die sie beinhaltet). Und Er hat die Thora und das Evangelium herabgesandt vordem als Rechtleitung für die Menschen.“ Der Islam sieht zwar im Koran den Höhepunkt der göttlichen Überlieferung, erkenntaberden göttlichen Ursprung der Thora undder Evangelien an.

Die Tradition der Propheten, die Botschaften von Gott erhielten und sie der Gemeinschaft mitteilten, findet sich seit der Frühzeit im Judentum verwurzelt. Moses ist der herausragende Prophet, weil er fähig war, prophetische Botschaften „im Angesicht“ Gottes (Deuteronomium 34,10) zu empfangen. Der Islam verehrt ebenfalls Propheten. Die biblischen Propheten der hebräischen Bibel und des Neuen Testaments werden von ihm als authentisch anerkannt, wobei Muhammad als Höhepunkt des Prophentums gilt:„Wir glauben an Gott (ohne mit ihm irgendwelche Partner zu verbinden) und an das, was uns herabgesandt worden ist und was Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen (Israels) herabgesandt wurde, und was Moses und Jesus gegeben wurde, und das (Wissen, Weisheit und Prophetentum), was den Propheten von ihrem Herrn gegeben worden ist. Wir machen zwischen ihnen keinen Unterschied, und Ihm sind wir ergeben“(Koran 2,136).

[i] Übers. nach dem engl. Text von Eliyahu Touger, Maimonides Mishneh Torah, Hilchot Yesodei Ha Torah 1:7,Brooklyn, 2010, S. 148.

 

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