Maria, Mutter aus Eisenach …

von Arhan Kardaş

Am 12. Oktober 2019 fuhr ich für eine fakultätsübergreifende Promotionsfeier nach Erlangen. Der Zug fuhr um 6:40 Uhr in Berlin, Südkreuz, ab. Ich saß an einem Vierertisch, wie es öfter bei mir der Fall ist. In Leipzig stieg eine Mutter mit drei Kindern, zwei Mädchen und ein Junge, zu und suchte einen geeigneten Platz. Die Mutter wirkte trotz der kleinen Kinder im Alter von 18 Monaten sowie sieben und neun Jahren sehr ausgeglichen. Sie setzte sich mit ihrem Sohn mir gegenüber hin, während ich vor mich hindöste, denn ich konnte die Nacht nicht schlafen, weil ich den Zug nicht verpassen wollte.

An dem Tag hatte mein Doktorvater seinen 60. Geburtstag, welch ein glücklicher Zufall, nur leider konnte er aus diesem Grund nicht an der Promotionsfeier teilnehmen. Trotzdem nehme ich das zuletzt herausgegebene Buch „Gottes geheimer Name“ unseres Verlages mit, an dessen arabischer, persischer und türkischer Kalligrafie ich mitgewirkt und für das ich ein Vorwort beigesteuert hatte. Da ich keine Zeit fürs Einpacken hatte, will ich es in einer Stofftasche des „House of One“ verschenken. Ich bin ein wenig angeschlagen. Die Woche war ziemlich herausfordernd, einerseits die plötzliche Beschneidung meines Sohnes in Hessen aufgrund einer Infektion, andererseits der Angriff gegen die Synagoge in Halle …

Ich bin in Gedanken versunken, als mich die Mutter anspricht: „Ich kenne das Projekt ‚House of One‘, ich habe in Chrismon einen Beitrag dazu gelesen.“ Sie deutet auf meine Stofftasche. „Ich bin der Projektbotschafter“, erwidere ich. Völlig überrascht will sie mehr über das Projekt wissen. „Soweit ich erfahren habe, hat man das Fundament gelegt und die Bauarbeiten haben angefangen.“ Ich erzähle ihr einige weitere Details über das Projekt, und sie fragt nach meinem Beruf. Die zwei Mädchen kommen und stellen sich vor und der kleine Klemens will mit mir spielen. Ich lächle sie an und stelle allen einige Fragen, wie alt sie sind und welche Schule sie besuchen. Aber eigentlich bin ich zu müde und möchte nicht länger sprechen.

Ihre Mutter Maria fragt mich, wie der Bau aussehen soll und sagt, wie toll sie diese gemeinsame Arbeit der Religionen finde. In meiner Rolle als Botschafter erzähle ich ihr noch etwas über das Projekt. Nachdem sie erfahren hat, dass ich an der Uni lehre, stellt sie mir noch tiefergehende Fragen. Ich merke schnell, dass sie katholischer Prägung ist und erzähle von Eisenach in Thüringen, wo ich einmal mit dem „House of One“ in der katholischen Kirchengemeinde über den Koran referiert hatte. Sie teilt mir mit, dass sie den Vater der Gemeinde sehr gut kenne. Ihr Geburtsort liege nicht weit von Eisenach. Ich kenne den Pfarrer auch. Ein verbindendes Element in unserem Gespräch.

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