Globalisierung, Rassismus und Identitäten – 1
Ein prophetischer Lösungsweg
Von Hikmet Isik
Es wurde angenommen, dass Globalisierung die Unterschiede zwischen Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Werten verringern, Identitäten und Zugehörigkeiten schwächen und nationale Gefühle überwinden würden.
Es wurde auch angenommen, dass mit der Entwicklung der Kommunikation und Transportmittel und der Verbreitung des Pluralismus die Vielfalt der Traditionen und Bräuche der Gesellschaften verschwinden würden.
Es wurde sogar vorausgesagt, dass die Bindungen der Menschen an ihre Religionen, Traditionen und Bräuche schwinden würden.
Die Idee einer Weltbürgerschaft wurde diskutiert.
Fehleinschätzungen der Theoretiker
Aber diese Einschätzungen erwiesen sich als falsch. Die Entwicklungen verliefen nicht wie erwartet. Die Unterschiede verschwanden nicht, und die Menschheit wurde ihnen gegenüber auch nicht toleranter.
Im Gegenteil, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Fanatismus und Ausgrenzung nahmen sogar zu. Denn bei der Äußerung solcher Einschätzungen und Prognosen wurde die menschliche und gesellschaftliche Psychologie nicht ausreichend berücksichtigt.
Der Mensch ist so veranlagt, dass er auf fremde Gedanken, mit denen sie nicht vertraut ist, ähnlich wie auf schädliche Mikroorganismen und Bakterien reagiert. Besonders dann, wenn er sie als eine Bedrohung für seine eigenen Werte und Identität empfindet.
In der modernen Welt haben viele Gesellschaften aufgrund der Befürchtung, dass Globalisierung, Modernisierung und Pluralismus zum Verfall ihrer ethischen Grundsätze und ihre eigenen Wertvorstellungen führen, eine reaktive Haltung eingenommen und sich stärker an gemeinsamen nationalen Gefühlen festgehalten.
Zweifellos haben auch einige autoritäre politische Maßnahmen diese Reaktion verstärkt. Menschen, die mit Druck konfrontiert sind, sind empfindlicher und emotionaler gegenüber ihren Werten und immer wachsamer geworden.
Extreme verursachen Extreme!
Es ist eine Tatsache, dass ein Gleichgewicht in Prozessen von gegenseitigen Reaktionen nicht aufrechterhalten werden kann. Übertreibungen verursachen Untertreibungen. Das heißt, extremes Übermaß kann extreme Vernachlässigung hervorrufen. Daher sind diejenigen, die Globalisierung als eine Bedrohung betrachtet haben, nicht nur für ihre nationalen und religiösen Werte eingetreten, sondern haben ihr Anliegen bis hin zu Chauvinismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit getrieben.
Wenn gesellschaftliche Schritte unternommen werden, darf man nicht vergessen, dass es unmöglich ist, Veränderungen zu bewirken ohne die Berücksichtigung der grundlegenden Veranlagung des Menschen sowie seiner materiellen und spirituellen Bedürfnisse, seiner Gefühle und Emotionen sowie der Werte, an die er sich gebunden fühlt. Wenn der Menschheit etwas Neues angeboten werden soll, muss dies unbedingt im Rahmen des Respekts vor menschlichen Werten geschehen.
Es ist nicht möglich, jemandem etwas zu vermitteln, nachdem man sich respektlos gegenüber seinem Glauben, seinem kulturellen Verständnis, seiner Lebensphilosophie geäußert hat. Dadurch provoziert man nur Respektlosigkeit gegenüber den Dingen, die man anzubieten hat.
Vor allem wenn man sich überlegen fühlt, andere von oben herab behandelt und sie als Menschen betrachtet, denen gezeigt werden soll, wo es lang geht, zieht man Feindseligkeiten und Hass auf sich.
Wer möchte, dass in der Gegenwart, in der die Welt zu einem Dorf geworden ist, Zugehörigkeit und Identitäten nicht als Ursache von Konflikten, sondern als eine Quelle der Bereicherung betrachtet werden, der muss jeden in seiner eigenen Position [als Mensch] akzeptieren.
Das positive Zusammengehörigkeitsgefühl als Schutzschild
Der Prophet Muhammed (Friede sei mit ihm), der in der arabischen Gesellschaft geboren wurde, aber mit einer universellen Botschaft kam, hat uns auch in dieser Angelegenheit ein Verhalten gezeigt, das als Modell dienen kann. Das ist auch der Grund, warum der Islam sowohl unter den arabischen Stämmen als auch von verschiedenen Völkern und Kulturen schnell angenommen wurde.
Die Botschaft unseres Propheten hat zunächst den Stamm Quraisch erreicht, später auch jene Stämme, zwischen denen Rivalität oder Krieg herrschte, und schließlich auch breite Bevölkerungsschichten unter den damaligen beiden Supermächten Byzanz und das Sassanidenreich.
Ja, der Gesandte Gottes ist mit dem Gefühl der Zusammengehörigkeit sehr ausgeglichen umgegangen. Er hat das positive Zusammengehörigkeitsgefühl in den Vordergrund gestellt, welches die Zusammengehörigkeitsgefühle anderer Stämme und Völker respektierte. Somit hat er dem negativen Zusammengehörigkeitsverständnis, das andere Menschen ausschließt, keinen Raum gegeben.
Er hat zwar abgelehnt, dass Abstammung, Herkunft und Rasse als Grund für Überlegenheit herhalten dürfen, aber er hat auch nicht so getan, als wären sie nicht vorhanden. Stattdessen hat er solche Merkmale und darauf basierende Gefühle als Schutzschild und – hülle für die Gesellschaft, die er gegründet hat, und für die Religion sowie für das spirituelle Leben.