Einsamkeit – trauriges Schicksal oder freier Wille?

Eigentlich ist es doch so schön: gemütlich allein auf der Couch zu sitzen, vom Alltagsstress abzuschalten und seine Ruhe zu haben. Viele Menschen können solche Momente der Stille, solche Möglichkeiten zur Besinnung aber überhaupt nicht genießen. Sie spüren dann schon nach kurzer Zeit große innere Leere in sich. Ihnen geht das Alleinsein einfach nur auf die Nerven. Sie bräuchten einen vertrauensvollen Freund, mit dem sie sich aussprechen können, haben aber keinen. Dafür haben sie oft das Gefühl, dass man sich nur bei ihnen meldet, wenn man wieder einmal etwas von ihnen braucht, oder dass man sie sogar ganz vergessen hat. Sie sind einsam. Und in ihrer Einsamkeit sind sie nicht allein.

Der Mensch verbringt durchschnittlich ca. 80 Prozent seiner Wachzeit mit anderen Menschen, und er zieht das Zusammensein mit anderen dem Alleinsein vor.In der Fachliteratur wird Einsamkeit als die Diskrepanz zwischen den erwünschten bzw. ersehnten Kontakten und den tatsächlich stattfindenden sozialen Kontakten (unserer sozialen Realität) verstanden.Diese negative Erfahrung kann mit der Abwesenheit eines Lebenspartners oder eines nahestehenden Verwandten – einer emotionalen Vereinsamung – oder aber mit geringer sozialer Integration oder der Abwesenheit von Freunden – einer sozialen Vereinsamung – in Zusammenhang stehen.Die Ursachen für Einsamkeit sind vielschichtig und in der Praxis individuell unterschiedlich zu bewerten. Ihr können finanzielle Schwierigkeiten, eine körperliche bzw. geistige Behinderung oder auch der Tod des Ehepartners zugrunde liegen. Mitverantwortlich sind aber zu einem nicht unerheblichen Teil auch der stete Wandel unserer Gesellschaftsstruktur und die damit verbundenen Veränderungen unserer Einstellungen.Auch das Single-Leben, unzureichender Kontakt zu Freunden und Familie, Unzufriedenheit mit den eigenen Lebensumständen, chronischer Stress, zu kleine soziale Netzwerke, falsche Freunde und Scheidung können Einsamkeit zur Folge haben.

Tatsächliche oder gefühlte Einsamkeit betrifft immer mehr Menschen, Tendenz steigend. Wir werden immer unabhängiger und isolierter. Der Trend geht in Richtung Individualisierung, weg von einer sozialen hin zu einer immer individuelleren Gesellschaft. Einkaufsketten bringen uns unseren Einkauf, den wir über das Internet getätigt haben, direkt nach Hause. Schon lange gehen wir nicht mehr auf die Bank, um Zahlungen zu tätigen. Unsere Freunde treffen wir im Netz. Sport betreiben wir auf Konsolen, die unsere Bewegungen direkt auf den Bildschirm projizieren. Und neue Arbeitsmodelle ermöglichen uns, in vielen Berufen von zu Hause aus zu arbeiten. Ohne dass wir es registrieren, reduzieren sich unsere Möglichkeiten, Menschen zu treffen. Außerdem werden wir immer bequemer und distanzieren uns immer mehr von unserer Familie. Ob unser Nachbar Hunger hat oder krank ist, interessiert uns schon gar nicht mehr. Wissen wir denn überhaupt, wie er heißt? An seiner Tür zu klopfen und mit ihm ins Gespräch zu kommen, trauen wir uns nicht; man will ja nicht seine Privatsphäre stören. Meistens grüßt man sich nur noch kurz im Treppenhaus oder hört ab und zu einmal Lärm, der vom anderen Ende des Korridors kommt – jedes Mal zu unpassender Zeit, zum Beispiel wenn man gerade schlafen möchte. Da ist man dann umso genervter, weil die eigene Privatsphäre nicht respektiert wird. Ein Brief an die Verwaltung, und die Sache ist geklärt – oder doch nicht? Weiterlesen

35 Gedanken zu „Einsamkeit – trauriges Schicksal oder freier Wille?

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