Ehadiye und Wahidiye

Von M. Fethullah Gülen

Ehadiye leitet sich von dem Wort ehad ab, das Einheit und Einzigkeit bedeutet. Das Wort ehad, das „eins“ bedeutet und die Bedeutungen von ferd (Einzel) und wahid (Eins) enthält, ist eine Zahl, die intensiver die Einheit Gottes ausdrückt als ihre Synonyme, die das Sonstige außer Gott verneint. In diesem Sinne gibt es keine andere Zahl als Ehad. Während das Wort wahid in den bejahenden Sätzen verwendet wird, wird das Wort ehad in den verneinenden Sätzen verwendet.

Ehad ist ein Wort, das mit keinem in Verbindung steht, und keiner steht mit ihm in Verbindung. Und ist das besondere Attribut von dem Einzigartigen und Unabdingbaren Einen.

Das Reich des Ehad ist der Horizont der Widerspiegelung und Enthüllung eines solchen Attributs.

Während die Wahidiye die Teilhaberschaft der Geschöpfe an Gottes Attributen ablehnt, hat Ehadiye vielmehr die Freisprechung von Gottes Wesen von jeglicher Mangelhaftigkeit im Fokus und bezieht sich auf die absolute Essenz Gottes (Die Namen und Attribute Gottes sind bei Ehadiye verborgen1).

Kurzum, die Einzigkeit Gottes bezeichnet eine erhabene Wahrheit, in der kein Platz für Vielheit ist und in der sich die ganzen Partikularitäten auflösen. Sie umspannt das ganze Sein, vereint alle Wahrheiten in Bezug auf das Gottsein in sich und bringt sowohl die Anfangslosigkeit (ezeliyye) als auch die Endlosigkeit (ebediyye) Gottes zum Ausdruck.

Manche behaupten, absolute Einzigkeit bedeute, dass es keine Attribute und Namen gibt, mit denen Gott qualifiziert werden kann, oder dass sich jedes Attribut und jeder Name in Gott auflöst. Aber das ist falsch, über derlei Vorstellungen ist Gott erhaben.

Es handelt sich bei der Absoluten Einzigkeit vielmehr um eine reine absolute Essenz Gottes, ohne Ihm jedoch den Besitz von Attributen und Namen abzusprechen, deren Wirkung, Manifestation und Entwicklung erhalten bleiben.

Wir können auch sagen, dass im Vergleich zum Kreis des Gottseins alles für sich alleinstehend ein Nichts und vergänglich ist.

In Bezug auf die erziehende Herrschaft Gottes sind alles Spiegel für die Existenz Gottes. Auf der Stufe der Wahidiye (Einsheit Gottes) sind alles Schatten der Namen und Attribute Gottes, weil sie wie die Sonne alles überschatten. Am Horizont der Ehadiye wiederum wird nichts in Betracht gezogen außer die absolute Essenz Gottes.

Mit anderen Worten, als Ergebnis der Widerspiegelung der Wahidiye (besondere Einheitsreflexion) verschwinden alle Wesen und Dinge angesichts des Lichts der Namen und Attribute Gottes genau wie die Himmelskörper, die im Angesicht der Sonne verschwinden – hierbei bleibt die Tatsache, dass die Existenz der Dinge eine feststehende Realität besitzen, unberührt.

In der Kontemplation der ganzheitlichen Einheitsreflexion (ehadiye) gehen sogar die Namen und Attribute, obwohl sie als feste Realität immer noch existieren, gewissermaßen in eine beschränkte Abwesenheit über. Der gesamte Wahrnehmungs- und Empfindungshorizont wird vom Licht der göttlichen Ehadiye oder dem Glanz des Angesichts Gottes (subuhat-i vedjh) erfasst ‒ und wenn dies geschieht, wird alles, was im Vergleich zum Wesen des Reinen Einen (zat-i baht) fremd erscheint, in gewisser Weise ausgelöscht.

In dieser Hinsicht ist das, was mit Ehadiye gemeint ist (ich halte es für unnötig, hier auf die Überlegungen der Theologen einzugehen, ob die Attribute gleich oder verschieden von Gottes Wesen sind), die reine absolute Essenz Gottes.

Wenn es um die Ehadiye geht, werden die Namen und Attribute Gottes nicht in Betracht gezogen und angesichts der Unmöglichkeit, die Ehadiye vollumfänglich wahrzunehmen, geraten der Sinn, das Bewusstsein und die Wahrnehmung in Erstaunen und Schrecken.

In der ganzheitlichen/universellen Einheitsreflexion hingegen werden alle Spiegel und Widerspiegelungen zu einem Feld der Manifestationen der Namen und Attribute Gottes. So umfassen die Namen und Attribute Gottes alles.  

Anmerkungen

Anm. d. Ü. Damit ist gemeint, dass die Einzigkeit Gottes (Ehadiye) dermaßen auf das Wesen Gottes fixiert ist, sodass Seine Namen und Attribute sich aus dieser Perspektive verbergen und nicht im Vordergrund stehen.

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