Nature versus Umwelt Zwischen Vererbung und Prägung
Natur versus Umwelt: Die Debatte ist uralt. Und obwohl sie seit Anbeginn des Menschheit geführt wird, sind wir der Antwort im Grunde nicht näher gekommen, was eine größere Rolle bei der Formung des menschlichen Verhaltens spielt.
Eine der klassischen Fragen, die Psychologen hinsichtlich des menschlichen Verhaltens gestellt haben, ist, ob es angeboren oder von der Umwelt vermittelt ist. Religionswissenschaften wie Naturwissenschaften haben Beiträge zur Beantwortung dieser Frage geliefert, und im Detail wurden einige Fortschritte erzielt.
Viele muslimische Gelehrte stimmen überein, dass für die Entwicklung des Menschen ein Zusammenspiel beider Faktoren verantwortlich ist und behaupten, dass Faktoren wie genetische Prädispositionen, Erziehung und Spiritualität komplementäre Rollen beim Verhalten spielen. Zum Beispiel heißt es in Berichten aus der frühislamischen Zeit, dass der Prophet Muhammad viele Male zu weisen Entscheidungen bei der Wahl des Partners geraten habe, da die Ehe die Entwicklung eines Neugeborenen beeinflussen wird (Abdullah 2011). Andererseits wurde der Prophet auch hinsichtlich seine Betonung der Rolle der Umwelt für den Neugeborenen zitiert und dafür, wie sie auf ihn im zukünftigen Leben einwirken wird.
Im Zusammenhang mit dem Faktor Spiritualität ist das Konzept der Seele in der islamischen Debatte Natur versusUmwelt wichtig (Abdullah 2011). Für den Islam ist der Mensch aus Körper und Geist zusammengesetzt. Die Seele (nafs)ist der Religion nach das, was den Menschen vom Tier unterscheidet. Sie erlaubt Menschen, Vernunft und Verstand einzusetzen, wohingegen Tiere nur ihrem natürlichen Instinkten folgen können. Menschen sind zu höheren kognitiven Leistungen fähig, die ein Ergebnis der Erziehung und Spiritualität sind und durch die Existenz der Seele ermöglicht werden.
Im Christentum endet die Debatte zwischen Natur und Umwelt nicht mit dieser Unterteilung: Eine biblisch genauere Sicht des menschlichen Verhaltens verlangt eine Vierteilung (Powlison 1995). Diese Unterscheidungen sind Schöpfung – Natur, Sünde – Natur, Sünde – Umwelt und Gnade – Umwelt. Grundsätzlich geht diese Unterteilung davon aus, dass die Natur von Gott (Schöpfung – Natur) und durch die Neigung des Menschen zur Sünde (Sünde – Natur) geschaffen werden kann, während das Sündigen ebenso gefördert werden kann (Sünde – Umwelt) wie Verhaltensweisen, die sich dem fügen, was Gott will (Gnade – Natur)
Obwohl die Einstellung des Christentums in der Debatte Natur versus Umwelt semantisch komplex ist, ist sie in der Praxis der des Islams ähnlich, wo Spiritualität (wie beim Konzept Gott) eine der wichtigen Säulen für das Verständnis des menschlichen Verhaltens ist.
Auch für den Buddhismus stehtdie Spiritualität im Zentrum des menschlichen Verhaltens (The Neurobiologist’s Guide to Buddha o. J.). Der Buddhismus betont aber anders als Islam und Christentum die Rolle des Geistes, insbesondere im Zustand der Erleuchtung, der eintritt, wenn weltliche Regungen wie Verlangen, Zorn und Leidenschaft ausgelöscht sind. So gehört die Spiritualität für den Buddhismus zum Geist, und nur sehr wenig ist bei ihm mit dem Bild Gottes verknüpft (Olson 2002).
Die Wechselbeziehung zwischen Natur und Umwelt wird in einem Krankheitsmodell von Zuckerman (1999) erklärt: dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell. Dieses Modell geht davon aus, dass jedes Individuum mit einem angeborenen Anfälligkeitsniveau für Krankheiten geboren ist (dieses Niveau bedeutet allerdings nicht, dass es die Krankheit hat). Das Niveau kann hoch oder niedrig sein. Die Umwelt – oder die Wechselbeziehung zwischen Person und Umwelt– beeinflusst die Wahrscheinlichkeit, mit der die Person solche Krankheiten tatsächlich bekommt. Psychiater haben versucht, Schizophrenie, Depression und andere Krankheiten anhand dieses Modells zu erklären. Einige Wissenschaftler behaupten, dass jeder mit einem Risiko geboren wird, an Schizophrenie zu erkranken. Wenn die Anfälligkeit für Schizophrenie gering ist, bedarf es eines hohen Grades an Beeinflussung durch äußere Stressfaktoren, damit sich Schizophrenie manifestiert, und umgekehrt.