Frieden braucht neue Wege
Das Engagement gegen Gewalt 2
Hikmet Işık
Respekt für unterschiedliche Standpunkte
Heute besteht die Aufgabe darin, nach einem kurz zusammengefassten Plan zunächst einen Anfang mit der Maxime „Respekt für unterschiedliche Standpunkte, Toleranz, Dialog und Frieden“ zu machen.
Denn jede Aktion bedarf einer vorherigen Überlegung und Planung. Dennoch bleibt es fürs Erste nur bei allgemeinen Überlegungen, zumal man zu Beginn nur schwer erahnen kann, mit welchen realen Herausforderungen man konfrontiert sein wird.
Wenn man jedoch einmal in Aktion getreten ist, kann man den zeitlichen und konjunkturellen Gegebenheiten entsprechend noch detailliertere Pläne ausarbeiten und sich den sich verändernden Umständen anpassen. Dies können wir als sekundären Plan bezeichnen, der sich innerhalb der Entfaltung eines summarischen Plans ergibt.
Wir können heute noch nicht vorhersehen, welche Wirkung unsere Tätigkeiten im Bereich des interreligiösen Dialogs in Zukunft haben werden.
Während wir auf unserem Weg voranschreiten, werden wir weiter überlegen, den neuen Situationen entsprechend, in denen wir uns wiederfinden, unsere bisherigen Pläne und Projekte revidieren und unsere Tätigkeiten stets einer erneuten Prüfung unterziehen … und dies immer wieder, solange wir auf diesem Pfad unterwegs sind.
Sobald wir von neuen Problemsituationen überrascht werden, planen wir ebenfalls aufs Neue und überlegen uns alternative Lösungen.
Zwar gibt es in der klassisch-islamischen Normenlehre (Fiqh) eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob es zulässig ist, weiterhin Normfindung (Idschtihād) zu betreiben und neue rechtliche Bestimmungen festzulegen. Doch in Bezug auf Hizmet-Belange steht das Tor des Idschtihād zweifelsfrei nach wie vor offen. Um für neu aufkommende Fragen und Probleme passende Lösungen zu erarbeiten, kann man jederzeit Idschtihād betreiben (d. h. sich aufs Äußerste mit einer Methode bemühen, um zu einer Lösung zu gelangen).
So werdet ihr durch alles, was ihr an Bemühungen hervorbringt, seien es Ideen oder konkrete Aktionen, einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Menschen untereinander mit Liebe und Wertschätzung begegnen und dem Teufelskreis der Gewalt (Gewaltspirale) ein Ende bereiten.
Die Kraft der guten Repräsentation
Folgendes darf man nicht vergessen: Solange man den in den Herzen der Menschen vorherrschenden Groll und Hass nicht auflöst, kann man daraus resultierende Probleme wie Gewalt, Terror und Radikalismus nicht angehen.
Menschen, die von Zorn und Rachsucht erfüllt sind, kann man nicht erklären, dass diese Welt harmonisch gemeinsam bewohnt werden kann und jeder in Frieden leben könnte.
Das sind Dinge, die sich gegenseitig nähren und unterstützen.
Denn aus Hass und Rachsucht resultiert Gewalt, und Gewalt erzeugt wiederum neuen Hass und neue Wut. Um diesen Teufelskreis zu brechen, muss man den Menschen das Lieben, das Verzeihen und das Respektieren näherbringen. Allerdings nicht mit Worten, sondern indem man mit gutem Beispiel vorangeht und es selbst vorlebt.
Ganz im Sinne des koranischen Gebots1 müssen wir uns darum bemühen, mit allen Menschen in Kontakt zu treten, jedem die Hand zu reichen und für jeden einen Platz in unserem Herzen sowie an unserem Tisch freizuhalten.
Ohne dass man den Menschen mehrmals persönlich begegnet, mit ihnen gemeinsam isst und sich austauscht, kann man weder sich selbst ihnen vorstellen noch sie wirklich kennenlernen.
Solange man nicht eine gewisse Zeit mit den Menschen gemeinsam verbracht und keine Freundschaft zu ihnen aufgebaut hat, kann man nicht erwarten, in Kürze die Hügel zu ebnen, die großen Klüfte zu schließen und die Ozeane voller Blut und Eiter zu durchsegeln, die sich in den vergangenen Jahrhunderten aufgetan haben.
Folglich wird es euch auch nicht sofort möglich sein, die Menschen an den Begeisterungen eurer Herzen und Inspirationen eurer Seelen teilhaben zu lassen.
Gewiss, eine der Hauptursachen für Gewalt ist, dass Menschen einander nicht ausreichend kennen und sich fremd bleiben.
Je mehr man sich trifft und miteinander spricht, desto besser wird jede(r) verstehen, dass Hass, Feindseligkeit und Gewalt nicht nötig sind.
Jede(r) wird bemerken, dass die Etiketten, mit denen Menschen in der Vergangenheit diffamiert wurden, und die Furcht und Ablehnung, die sie ihnen gegenüber empfanden, völlig unbegründet waren.
Jedoch sollte nochmals erwähnt werden, dass das nichts ist, was von heute auf morgen geschehen kann.
Ein Vorhaben, das mit den oben genannten Wegen und Methoden begonnen wird, benötigt mindestens ein bis zwei Generationen, um sich wirklich zu festigen.
Anmerkung
Koran 49:13: „O ihr Menschen, Wir haben euch ja von einem männlichen und einem weiblichen Wesen erschaffen, und Wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt.“