Religions- und Gewissensfreiheit- ein bescheidener Überblick

Was versteht man unter Religions- und Gewissensfreiheit? Es bedeutet, kurz gesagt, die Religion seiner Wahl frei bestimmen und die damit einhergehenden religiösen Pflichten ohne Hindernisse frei ausüben zu können; es bedeutet ferner, die nötige Ausbildung zu erhalten, um seine Religion ganz und gar auszuleben und es schließt die Freiheit ein, dieses Glaubenssystem gegebenenfalls anderen erläutern zu dürfen. […]

Allerdings lassen gestern wie heute so manche Regierungen diese Prinzipien außer Acht; einige spielen sogar damit und verändern ihre Rahmenbedingungen, während andere wiederholt in deren Anwendungsbereich eingreifen, unverhohlen Druck auf das Gewissen ausüben und es so erschweren beziehungsweise sogar verhindern, dass Menschen ihren Glaubensüberzeugungen entsprechend leben können. In diesem Zusammenhang muss man auch den Blick auf Staaten lenken, die sich den Anschein geben, nach religiösen Regeln ausgerichtet zu sein. Sie mögen zwar für die Angehörigen ihrer Religion großzügig für Religions- und Gewissenfreiheit sorgen, aber es kann nicht behauptet werden, dass dies auch auf Menschen anderer Konfessionen oder Weltanschauungen zutrifft. Wer hingegen den Islam würdig auslebt, wird jeder Religion, jeder Ansicht und jeder Lebensphilosophie Respekt bekunden, mit Vertretern dieser Gedankensysteme im Dialog stehen, stets Toleranz leben und Andersdenkende allezeit freundlich umarmen. Auch das Gegenteil trifft zu: Wer den Islam nicht richtig verstanden und wer – ganz gleich welcher Religion er angehört – seine Lebensphilosophie auf Hass, Ressentiments, Zwietracht, Fanatismus und Vorurteile gegründet hat, hat nicht nur selbst einen beengten Horizont und ist in seinem Gewissen eingeschränkt, auch die der göttlichen Religion eigene unermessliche Weite wird eingeschnürt, eingeengt und das an sich segenbringende System der Religion zu einer Einrichtung degradiert, die keine Verbesserung bringt. Ihre Anhänger sind zornig, wütend, voller Groll, die den „anderen“ wo immer sie ihnen habhaft werden können mit Gewalt begegnen, bedrohen und mit viel Geschrei und Getöse allerlei Grausamkeiten verüben.

Auch wenn die heutigen liberalen und laizistischen Staatssysteme so wirken, als ob jeder nach seiner Überzeugung sein Leben gestalten könnte, werden vielerorts antireligiöse Haltungen eifrig gefördert und es ist offensichtlich, dass der Religion und ihren Gläubigen gegenüber eine äußerst restriktive und intolerante Linie vertreten wird. In Regionen, in der solche Machthaber über das Schicksal ihres Volkes bestimmen, kommt es häufig vor, dass Frieden und Stabilität unter Beschuss geraten, die Menschen gewaltsam unterjocht und unter verschiedenen Vorwänden gar zu schändlichen Handlungen gezwungen werden bzw. wurden. Das ist nichts anderes als ein mit roher Gewalt geführter Kampf gegen die Gewissensfreiheit. Dieser Kampf hat historisches Ausmaß. Von Zeit zu Zeit gesellten sich auch verschiedene religiöse Führer zu jenen, die Gott, Religion und die Propheten ablehnen und griffen zu den gleichen Waffen wie die Verkenner (Fußnote). […]

[Religiöser Fanatismus und seine Folgen]

Mit Bedauern müssen wir feststellen, dass es in anderen Teilen der Welt nicht besser aussah und sich die Situation bis heute nicht gebessert hat. Schon von Beginn an stachelten manche fanatische religiöse Führergegen die neu entstandene Religion des Islams auf und legten ähnliche Handlungsweisen wie diejenigen an den Tag, die schonmal Jesu Christi und seiner Botschaft gegenüber feindlich gesinnt waren. So unterdrückten sie die Muslime, zettelten die Kreuzzüge an und stießen immer weiter in die Länder dieser Verfolgten vor, um sie aus der Geschichte auszulöschen – und das zu einer Zeit, als die Spuren der Römer, die zuvor dasselbe mit ihnen taten, noch nicht gänzlich verwischt waren. Welch tödlicher Glaubenseifer, welch verfluchter Fanatismus! Wie könnte diese Invasion und diese Aggression mit der elementaren Botschaft Christi Übereinstimmung gebracht werden? Und wie könnten sie vor dem Richterstuhl der Geschichte bestehen, und wie wollten sie ihre groben Angriffe und die Unterdrückung rechtfertigen? Ist es nicht befremdlich, dass so viele Gräueltaten im Namen der Religion verübt wurden – denn so wird es ja in der Regel dargestellt? Natürlich ist das befremdlich und noch abwegiger wird es, wenn man bedenkt, dass all dies im Namen Jesu Christi getan wurde, dessen Kernbotschaft Liebe und Barmherzigkeit ist.

Leider blieb es nicht bei dieser Art der Unterdrückung von Religion, Glaube und Gewissen. Auf dem Herd der Welt köchelt seit jeher der Kochtopf der Zwietracht und man verhielt sich anderen Ansichten, Philosophien und religiösen Auslegungen gegenüber ausgesprochen harsch und intolerant. Was die einfachen Menschen in diesem Chaos dachten, wissen wir nicht, aber es besteht kein Zweifel an der Tyrannei, dem Despotismus, der Gewalt und dem Fanatismus der herrschenden Klasse. So kam es, dass mit dem Tag, an dem das Christentum zur Staatsreligion wurde, die Herrscher jeden, der in ihren Augen ein „Antichrist“ war, aufhängten und mit dem Schwert töteten, jedoch kaum Liebe, Toleranz und Respekt verbunden mit Vergebung und Gnade bekundeten. Feindbilder waren schnell gefunden und man dachte irrtümlicherweise dem Christus zu gefallen und ins Paradies einzugehen, wenn man andere Ansichten und Gedanken unterdrückte und in dieser Geisteshaltung Verbrechen beging. Noch heute treffen wir auf Menschen mit dieser Haltung.

[Humanismus, Aufklärung und Reformation]

Angesichts dieser anhaltenden Erschütterungen fühlten sich einige Wissenschaftler und Philosophen veranlasst, aktiv zu werden. Ihr Ausgangsgedanke: Eine Religion, die von Gott stammt, könne die Menschen nicht dazu auffordern, sich gegenseitig abzuschlachten. Man müsse dem entschieden entgegenwirken. Eine religiös motivierte streitlustige Haltung müsse mittels Reformen oder anderer Methoden verändert werden. Im Grunde kam am Ende etwas in dieser Art dabei heraus: Einerseits eine schier endlose Folge von Reformen, andererseits kam es zur Versöhnung durch Eingrenzung der Geltungsbereiche von Religion und Wissenschaft, die stets miteinander konkurrierten. Es wurden wichtige Schritte unternommen, um Religion und Staat zu trennen, und in diesem Zusammenhang begann man damit, über Gedanken- und Gewissensfreiheit zu sprechen. Allerdings ersetzten jetzt menschliche Verlautbarungen die göttliche Offenbarung und die Religion musste sich erneut auf das Gewissen der Menschen zurückziehen, wie irgendwelche theoretische Annahmen.

Jedoch handelt es sich bei religiösen Überzeugungen auch um religiöse Praxis, also um etwas Göttliches, das keinen Schranken unterliegt, die von irgendeiner Ideologie oder irgendeinem Rechtssystem definiert wurden. Wird die Religion im Rahmen der Prinzipien der Offenbarungen Gottes ausgeübt, bewahrt sie ihren göttlichen Charakter und kann nur dann zu Recht als Religion bezeichnet werden. In der Tat handelt sich bei der Religionsfreiheit nicht lediglich um eine Gewissensüberzeugung; sie beinhaltet auch, dass man nach den Prinzipien lebt, die man als von Gott kommend akzeptiert und sie gegebenenfalls auch anderen schriftlich oder mündlich vermittelt. In jedem Fall bedeutet es, sie ohne Hindernisse ausleben zu können. Werden jedoch Einschränkungen auferlegt und die Religionsausübung nur auf bestimmte Lebensbereiche beschränkt, kann von vollkommener Religions- und Gewissensfreiheit keine Rede mehr sein.

Der Westen gibt sich heute den Anschein, mithilfe des Laizismus bis zu einem gewissen Grad das langanhaltende Chaos und seine Probleme in den Griff bekommen zu haben; die Religion mischt sich nicht in weltliche Angelegenheiten ein und der Staat nicht in die Religion. Allerdings betrachtet die Weltgemeinschaft den Laizismus nicht als unwidersprochenes alleinseligmachendes Prinzip oder System, das ihre Probleme lösen wird. Man sieht ihn eher als einen rein irdischen Weg zum Kompromiss, der Religions- und Gewissensfreiheit garantiert. Länder, in denen diese Ansicht vorherrscht, haben es geschafft, ein gewisses Maß an gegenseitiger Unterstützung zu gewährleisten, ohne dass es zu Konflikten zwischen der Religion und dem Staat gekommen wäre. In einigen Ländern wird heutzutage jedoch der Laizismus immer noch instrumentalisiert, um Druck auf die Religion auszuüben. Der Grund hierfür mag darin liegen, dass man den Laizismus nicht ausreichend wissenschaftlich beschrieben hat oder die Religion nicht richtig ausgelebt wurde.

[Islam – Eine vergessene himmlische Sternenkarte zur Glückseligkeit]

Hierbei spielt sicher der Charakter des Islams eine wichtige Rolle, die man nicht übersehen sollte. Wer ihn unter Zuhilfenahme ihm fernstehender Begriffe in Verbindung bringt, beschreibt und auslegt, ohne seine charakteristischen Merkmale zu berücksichtigen, vergreift sich an seiner Göttlichkeit. Denn der Islam ist zu allererst ein vortreffliches gottesdienstliches und ethisches System, das auf sehr zuverlässigen Überzeugungen basiert, die sich gegenseitig bedürfen; ein spiritueller Lebensweg, der durch Verstand und Offenbarung bestätigt wurde; ein Paradies, das die Erwartungen des Gewissens befriedigt und ein Schlüssel zu ewigwährender Glückseligkeit; eine Art „himmlische Sternenkarte“, die bei der Lösung persönlicher, familiärer und gesellschaftlicher Probleme den Weg zeigt und eine vollkommene Kollektion von Hinweisen zu wirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Fachgebieten bietet. All dies zu ignorieren bedeutete Verrat und eine himmelschreiende Ungerechtigkeit gegenüber den Gläubigen, die unter Druck vielleicht zum Schweigen gebracht werden können; in ihnen wird es jedoch unaufhörlich brodeln und sie werden diesen Verrat und diese Ungerechtigkeit niemals verzeihen.

Im Grunde genommen spielt der Islam eine äußerst wichtige Rolle, was seine Gebote und Ratschläge zu den oben genannten Bereichen, seine Wirkung auf den gesellschaftlichen Frieden, die Verwirklichung von Toleranz und eines internationalen Dialogs und seinen Beitrag zu allgemeiner Sicherheit überall dort betrifft, wo seine Stimme vernommen wird. Wer heute nicht daran denkt, davon zu profitieren, wird sich einst klagend die Haare raufen, wenn er feststellt, wie zukünftige Generationen, aus einem Buch herausgerissenen Blättern gleich, in alle Himmelsrichtungen zerstreut wurden; allerdings wird es dann zu spät sein.

Wie schön wäre es, wenn Pläne und Projekte auch die Moralvorstellungen der Menschen sowie ihre Sitten und Gebräuche berücksichtigten! Stattdessen versucht man Menschen, deren ethischen Normen fest verwurzelt sind, mit unwahren und unlauteren Ideologien zu betäuben. Leider werden immer noch Menschen aufgrund ihrer religiösen Verbindungen unter Druck gesetzt. Wie schön wäre es, wenn die Gewissensfreiheit jedes Individuums respektiert werden würde!

[Es gibt keinen Zwang in der Religion]

Es gab eine Zeit, da war der Islam eine universelle, vollkommene Religion, die den Geist, das Wesen und die Essenz aller Offenbarungsreligionen vor sich in sich vereinte. Natürlich ist der Islam heute noch – trotz unserer unbeholfenen Versuche, ihn auszuleben – eine solch erhabene Religion. Einer der herausragendsten Aspekte der Universalität und Vollkommenheit des Islams ist die Tatsache, dass er alle Religionen und Propheten, die vor ihm von Gott gesandt wurden, akzeptiert. Er bezieht sich mit einem besonderen Titel auf die Anhänger dieser Religionen, indem er sie als „Buchbesitzer“ (Ehl-i Kitap) bezeichnet; er schenkte ihnen besondere Beachtung, verlieh ihnen einen speziellen Status und sorgte auch dafür, dass diese Regeln umgehend angewendet wurden.

Der Prophet Muhammed – Friede sei mit ihm – näherte sich von Anbeginn den Anhängern anderer Religionen mit außergewöhnlich großer Toleranz, verhielt sich so sanft wie möglich, motivierte seine Nachfolger unablässig, es ihm gleichzutun und rief sie dazu auf, sich ihrer Rolle als Gemeinschaft mit Vorbildfunktion würdig zu verhalten. Die Muslime haben diesem Aufruf zumeist Folge geleistet, wenn man von einigen Perioden absieht, in denen manche, deren Gewissen eng und hart war, eine harsche und fanatische Haltung zeigten. Sie waren stets tolerant und respektvoll gegenüber anderen Überzeugungen und Philosophien und haben niemals aufgrund von Anschauungen, Überzeugungen und religiöser Ansichten Druck auf andere ausgeübt. Das wäre ohnehin undenkbar, schließlich gibt der Koran klare Anweisungen, wie man sich zu verhalten hat: „Es gibt keinen Zwang in der Religion. Der richtige Weg ist nun klar erkennbar geworden vom unrichtigen“ (Sure Al-Baqara, 2:256). Es gibt keinen Raum für abweichende Auslegungen und Verhaltensweisen.

Dieser Vers drückt aus, dass es in der Religion keinen Zwang, mit anderen Worten keinen Druck und keine Einschüchterung gibt und geben darf; das Augenmerk wird vielmehr auf Schlussfolgerungen und Methoden der Überzeugung gelenkt. Wenn man die Religion beschreibt, kommt es zuallererst darauf an, aufzuzeigen, dass sie sich unter keinen Umständen auf Anwendung von Gewalt oder Nötigung gründet, sondern ihre Ausübung vollständig auf Freiwilligkeit basiert. Man kann sogar im Hinblick die oben erwähnte Richtlinie sagen, dass die Religion die Menschen weder zu irgendeiner Religiosität noch zu einer bestimmten Weltanschauung zwingt. Es wäre ein Ausdruck offener Respektlosigkeit gegenüber den Menschen und ihrem freien Willen, wenn man versuchte, auf irgendeine Weise Druck auszuüben, da doch im Grunde Konzepte wie Wahrheit und Aberglaube, Gut und Böse, Licht und Dunkel, Glaube und Verkennung, rechter Weg und Irrweg klar unterschieden werden können.

Auch wenn es wünschenswert ist, dass jeder den Islam annimmt, da er zu absoluter Glückseligkeit führt, wurde in der Geschichte des Islams ganz im Sinne von „Es gibt keinen Zwang in der Religion“ niemand gezwungen oder mit Gewalt dazu genötigt, zu konvertieren. Ganz im Gegenteil: Der Islam ist die Verpflichtung eingegangen, andere vor Nötigung zu schützen und garantiert jedem, seine Religion frei auszuüben. Darüber hinaus betrachtet der Islam es als Respektlosigkeit dem Menschen und dem Geist der Religion gegenüber, wenn Druck auf andere ausgeübt wird. Es bedeutet Respektlosigkeit gegenüber dem Menschen, weil er ein Geschöpf mit einem freien Willen ist und dieser Umstand einen der größten Unterschiede zu anderen Lebewesen darstellt. Es bedeutet auch Respektlosigkeit der Religion gegenüber, ist doch der Glaube ein Werk der Vernunft, das auf Aufrichtigkeit basiert und verbunden ist mit einer Anerkennung des Herzens. Weder ein Glaube, der nicht von Herzen kommt, noch entsprechende Werke werden göttliche Billigung finden. Ein Glaube, der den Menschen aufgezwungen wurde, ist kein echter Glaube, ebenso wenig wie man jene Personen Gläubige nennen könnte. Sie sind eher Heuchler und ihre Werke als scheinheilig zu betrachten.

[Religion braucht keine Nötigung]

Des Weiteren ist die Religion ja keine Einrichtung oder ein System, das Abneigung hervorrufen würde, sodass man sich der Nötigung bedienen müsste. Sie ist stattdessen eine Quelle des Segensreichen und des Schönen, aus der jeder gerne trinkt. Wer daher die Religion und religiöse Angelegenheiten vertritt, indem er Druck ausübt statt zivilisiert aufzutreten, erweist der Religion einen Bärendienst: Er sorgt dafür, dass Menschen die Religion hassen. Der Vers des Korans, der davon spricht, dass es keinen Zwang in der Religion gibt, sagt ferner, dass der richtige Weg erkennbar geworden sei vom unrichtigen. Damit wird auf objektive und subjektive Beweise sowie die Botschaften der Propheten und die Aussagen der Rechtleitenden (murschid) – ein jeder von ihnen ein Held des Glaubens – verwiesen, um uns den Weg der Schlussfolgerungen, der Gesandtschaft der Propheten und der Wegleitung durch Menschen, die den Islam genau ausleben, zu erschließen.

Die Muslime vergangener Generationen hatten dies sehr gut verstanden und die Menschen nicht dazu gezwungen, ihre Religion und ihre religiösen Überzeugungen anzunehmen. Stattdessen haben sie ihnen geholfen, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und auf Überzeugung gesetzt. So konnte jeder seinen Glauben ungehindert ausleben und ausdrücken, ohne mit der Obrigkeit in Konflikt zu geraten. In dieser Atmosphäre konnte sich der Götzendiener, der Jude, der Christ oder der Anhänger einer anderen Anschauung oder Philosophie ungezwungen der Religions- und Gewissensfreiheit erfreuen. Er wurde nicht aus seiner Heimat vertrieben, er wurde nicht vor Gerichte gezerrt. Jeder war frei in der Wahl seiner Religion und genoss den Schutz des Staates, solange er seinem Gelöbnis gegenüber treu blieb und seine Bürgerpflichten erfüllte. Natürlich gab es damals wie heute solche, die ihre Bürgerpflichten nicht erfüllten und ihrem Gelöbnis gegenüber nicht treu blieben, die sich die Spaltung des Landes zum Ziel gesetzt hatten, und zum offenen Widerstand gegen den Staat aufriefen, die Terrorakte verübten, im Geheimen allerlei Verschwörungen anzettelten und mit roher Gewalt das Volk unaufhörlich quälten – sie alle wurden der Gerichtsbarkeit zugeführt und entsprechend ihrer Taten bestraft. Dadurch wurde die Vertrauenswürdigkeit des Staates sichergestellt.

Dies ist die Haltung des Islams gegenüber der Meinungs- und Gewissensfreiheit. Auch in Handels- und Glaubensfragen wird kein Druck ausgeübt. Darüber hinaus mischte sich der Islam sogar im Falle kriegerischer Auseinandersetzungen nicht in die Religion oder religiöse Ansichten ihrer Gegner ein, als diese Bürger wurden und ihre Steuerpflichten erfüllten. Auch jenen, die die Friedensangebote nicht annahmen und besiegt wurden, wurde das Recht zugestanden, nicht-muslimische Untertanen zu werden. Sie mussten wie alle anderen auch einen gewissen Anteil an Steuern zahlen; ansonsten konnten sie ihrem Gewissen entsprechend leben. Die im Krieg Unterlegenen wurden genauso behandelt wie diejenigen, die sich freiwillig unterworfen hatten: Es wurde ihnen Religions- und Gewissensfreiheit gewährt und es wurden ihnen alle Rechte eingeräumt, solange sie dem Staat keinen Schaden zufügten.

Diese ausgeprägte Toleranz in Bezug auf die Religions- und Gewissensfreiheit beschränkte sich nicht lediglich auf diejenigen, die Schutz im Osmanischen Reich suchten; man sorgte überall auf der Welt dafür, dass diese Werte gewahrt wurden. Dazu gehörten Hilfeleistungen für Notleidende und Opfer von Tyrannei, man reichte denen die Hand, die gefallen waren und war emsig darum bemüht, dem Recht überall Geltung zu verschaffen. Darüber hinaus galt ihr Bestreben dem Schutz der Menschen vor Nötigung, Gewalt und Zwang. Überall in ihrem Einflussbereich widersetzte man sich dem Druck auf das Gewissen und bereitete den Boden, sodass Menschen freiwillig den Glauben annahmen. Man widersetzte sich allen Bemühungen und Bündnissen, einzelnen Staaten gegen ihren Willen eine bestimmte Religion, Anschauung, Philosophie oder Ideologie aufzudrängen. Soweit es in ihrer Macht stand haben sie sich jeder Art von Zwang und Gewalt entgegengestellt und garantiert, dass jeder seinen eigenen Weg wählen konnte, solange er anderen damit nicht schadete. Das hatte zur Folge, dass der Islam in einem ausgedehnten Gebiet unter den verschiedensten Völkern für Frieden und Ruhe sorgte, in den Herzen Achtung gegenüber den fundamentalen Botschaften aller Propheten weckte und die Menschen so lehrte, jeden in seiner Stellung zu respektieren. Diese außerordentlich wichtige Haltung wurde vernünftig und dauerhaft begründet.

[Andersgläubige unter der muslimischen Herrschaft]

Was der Islam der Menschheit im Hinblick auf die Religions- und Gewissensfreiheit verheißt, ist für jeden offensichtlich. Ein Blick aus der Vogelperspektive mag ausreichen, um das zu demonstrieren: Die Religions- und Gewissensfreiheit, die Minderheiten zu Zeiten des Propheten – möge Friede mit ihm sein – zugestanden wurde, wurde auch von den vier rechtgeleiteten Kalifen mit feinem Gespür vollständig und ohne die geringste Abweichung umgesetzt. Auch in den darauffolgenden Perioden hielt man sich stets millimetergenau an die beispielhafte Praxis des Propheten. Vom Zeitalter des Lichts bis zu den Umayyaden, den Abbasiden und den Osmanen – all diese Dynastien haben die Glaubensüberzeugungen der Minderheiten geschützt und ihnen ermöglicht, ihre Religionen auszuleben, ihre Gottesdienste und Feiertage ohne Hindernisse zu begehen, ihre Kinder so zu erziehen, wie sie es für richtig erachten, diverse Stiftungen zu gründen, um ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern, sich in Gemeinden zu versammeln, baufällige Gebetshäuser zu renovieren und neue zu errichten. Diese und ähnliche Bürgerrechte wurden ihnen zugestanden und nichts weiter gefordert, als sich an die bestehende Ordnung und die geltenden Gesetze zu halten.

Nach den Umayyaden in Damaskus und den Abbasiden hinterließen auch die Muslime in Andalusien und die Osmanen ein glänzendes Beispiel. Diese Menschen, die der Wissenschaft einen großen Erkenntnisgewinn einbrachten, öffneten nicht nur den Weg zur Renaissance, sondern gingen auch als Begründer und Architekten einer „Zivilisation edler Eigenschaften“ in die Geschichte ein. Jeder lebte seine Religion aus, niemand wurde wegen seiner Sprache oder Religion angegriffen und so wurde über Jahrhunderte eine Regierungsweise vorgelebt, die in ihrer Wirklichkeit sogar alle Utopien in den Schatten stellte. Wie tragisch ist es daher, dass diese erleuchteten Geister, die einst die ganze Welt in Licht tauchten, vom unbarmherzigen Schwert der Kreuzzüge dahingerafft wurden, als ihre Staatssysteme zerbrachen und keinem von ihnen gestattet wurde, sich weiter dort aufzuhalten. Vom Balkan bis nach Nordafrika, von Ägypten bis in die Staaten des Maghreb, in all diesen vom Islam geprägten Gebieten spielte sich das gleiche Unheil ab: Die Eroberer unterdrückten die tapfere muslimische Bevölkerung, beutete sie aus und mischte sich in ihre Regierungen ein, indem sie ihre eigenen Handlanger an der Spitze positionierten oder Embargos verhängten. Aber keines ihrer Vorgehen schenkte Respekt vor der Religions- und Gewissensfreiheit.

[Ein Appell zur Selbstkritik]

Diese Beispiele eignen sich gut, um den Unterschied dieser beiden Zivilisationen im Hinblick auf ihre Haltung zur Religions- und Gewissenfreiheit aufzuzeigen. Wir alle wissen, dass es von keinem Nutzen ist, neuen Stoff für Streit zu schaffen, indem man das Verhalten von Menschen einer bestimmen Zeitepoche hinterfragt und es macht auch keinen Sinn, bestimmte Emotionen anzuheizen. Wenn man jedoch die edlen Eigenschaften einer Zivilisation hervorhebt, sollte man auch die schlechten Eigenschaften der anderen nicht unerwähnt lassen. Gleichermaßen ist es unsere Pflicht, erinnernd zu mahnen, wenn die in der Vergangenheit für ihre schlechten Charaktereigenschaften bekannten Kulturen nicht von ihren Gewohnheiten lassen und ihnen heute noch frönen. Ob solch ein Appell in diesem Rahmen all den groben und rohen Geistern eine Warnung ist, die von außen oder im Innern Druck ausüben und die Gewissensfreiheit nicht achten, weiß man nicht. Eines aber wissen wir: Warnend darauf hinzuweisen, ist unsere Pflicht.

 

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2 Gedanken zu „Religions- und Gewissensfreiheit- ein bescheidener Überblick

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