Wissen, Macht und Aufklärung – Geschichte von al-Azhar
Die al-Azhar-Universität hat einen herausragenden Ruf, der über die arabische Welt hinausreicht. Was begründet ihren Rang? Einige Hinweise zu ihrer Bedeutung und Entstehungsgeschichte.
Die al-Azhar-Universität, جامعة الأزهر, ist eine der bedeutendsten religiösen Institutionen der muslimischen Welt. Die Fatwas ihrer Gelehrten – Rechtsgutachten, die von Gerichtshöfen, Institutionen, aber auch von Privatpersonen angefragt werden können – haben für manche fast den Status von Gesetzen. Allerdings ist diese ehrwürdige und respektierte Praxis dabei, den inflationären Tendenzen unserer heutigen Zeit anheimzufallen. So wurde aus einer derraditionsreichsten (Studentinnen wie Studenten gleichermaßen zugänglichen) islamischen Elitehochschule wurde seit den unvermeidlichen Reformen König Faruks, der sie den Erfordernissen der Moderne anpasste, ein unüberschaubarer Massenbetrieb. Ihre Gelehrten genießen in der muslimischen Welt auch heute noch hohes Ansehen. Seit die Universität in den 60er Jahren der Regierung unterstellt wurde, steht sie aber immer wieder auch im Verdacht, deren Politik zu legitimieren. Ein besonders spektakulärer Fall war die Absegnung von Präsident Sadats Israelpolitik seitens der höchsten Autorität des Landes, die zugleich auch richtungweisend für die Sunniten ist, d. h. für ca. 90 {f469c13245ca478de128b75261fcc36e6cb3fc3ad659a95692cc8e10223b7699} von weltweit insgesamt ca. 1,5 Milliarden Muslimen.
Die al-Azhar-Universität ist die zweitälteste Universität der Welt. Als die Fatimiden im 10. Jh. Ägypten eroberten und die neue Hauptstadt al-Kahira gründeten, ließ al-Saklabi, ein General von Abu Tamin Ma’ad, eine Moschee errichten, die bereits ein Jahr nach der Machtübernahme, im Ramadan 972, eröffnet wurde. Darin wurden zunächst auch Vorlesungen zur islamischen Normenlehre gehalten, bis 988 eine theologische Hochschule angegliedert wurde, die sich schnell zu einem Bildungszentrum der islamischen Welt für Theologie und Rechtswissenschaft (fiqh) entwickelte. Bald darauf kam der für die damalige Zeit bahnbrechende Studiengang der Anatomie hinzu. Darin wurden die Grundlagen der Sektion gelehrt, die über Ibn Sina (Avicenna) dann ihren Weg nach Europa fanden. Nach der Zerstörung Bagdads durch die Mongolen unter Hülegü stieg die al-Azhar-Universität zum bedeutendsten islamischen Bildungszentrum auf.