Buchrezension: Warum tötest Du, Zaid?
„››Ismahuli‹‹ – ››Zugehört‹‹, ruft der kleine, alte Märchenerzähler in der Teestube Al-Nofara in Damaskus und schlägt mit seinem breiten Schwert auf einen hochbeinigen schwarzen Metallschemel.“ Mit diesem Satz fängt Jürgen Todenhöfer an, seine Geschichte zu erzählen. Genau wie der Märchenerzähler in Damaskus nimmt der Autor am Anfang seines Buches den Leser mit zu einer Reise quer durch die letzten zweihundert Jahre des Orients. Leider sind die Geschichten, die Jürgen Todenhöfer erzählt, nicht erfunden wie die des Märchenerzählers. Sondern es sind Erlebnisse aus erster Hand. Das macht das Buch auch so einzigartig.
In diesem außergewöhnlichem Werk berichtet Jürgen Todenhöfer über den Krieg im „Irak“, nicht unter Einfluss der „PR-Abteilung der Besetzer“ des Irak, sondern er geht in die tiefen Strukturen der Besetzten ein und beleuchtet Ecken und Kanten des Krieges, die so kein Journalist zu Gesicht bekam. Dieses Buch gründet nicht nur auf einen fünftägigen Aufenthalt bei der irakischen Widerstandbevölkerung, die sich gegen die Besetzung ihres Landes durch die US-Armee formieren, sondern einer umfangreichen Recherche. Mehrere Besuche im Irak, zahlreiche Interviews mit Widerstandskämpfern, Exil-Irakern in Syrien und Jordanien, Telefonate mit Kairo, Amman und Damaskus, Recherchen der Medien über die unterschiedliche Berichterstattungen im Internet, Fernsehen, Kellergewölben der Museen in Algerien, Archive der großen Fotoagenturen, selbst gemachte Bilder vor Ort und noch vieles mehr machen das Buch so authentisch. Es ist ein Antikriegsbuch. Trotz der großen Kritik des Autors an der westlichen Ausbeute des Orients und Kriegsführung auf allen Seiten, bei der vor allem unbeteiligte Zivilisten leiden, ist das Buch keine Hasspredigt gegen den Westen. Fein säuberlich und sehr deutlich unterscheidet Todenhöfer meisterhaft die Kriegsmacher im Westen mit dem Westen. Die Message ist klar: Der Westen ist genau so wenig gleich der Westen wie der Orient gleich der Orient ist. Projiziert auf den Krieg im Irak heißt dies: Widerstand der Bevölkerung im Irak gegen die Fremdbesetzung ist nicht gleich Terror oder Al-Qaida. Auch hier unterscheidet Todenhöfer gekonnt und sehr fachmännisch den Terror von dem Widerstand der Bevölkerung im Irak sogar gegen die Terroristen, unter denen auch sie leiden.
Wenngleich das Buch eine Dokumentation der Ereignisse ist und ein schwieriges Thema behandelt, lässt es sich wie ein gut geschriebener Roman außerordentlich leicht lesen. Die Sätze fließen beim Lesen im Schnelltempo vor sich hin. Routiniert baut Jürgen Todenhöfer mal wie bei einem guten Thriller Spannung auf, mal nimmt er den Leser liebevoll mit auf eine romantische Reise und bringt ihn dann mit unglaublicher Empathie immer wieder zurück zu den harten Fakten unserer Realität.
Im Buch erzählt der Autor von einem Ereignis aus seiner Kindheit. 1946 legte er sich als vierjähriger Junge vor eine vorbeifahrende Panzerkolonne, weil diese ihn und die in der Umgebung wohnenden Kinder beim Spielen gestört hatte. So musste die Panzerkolonne auf einen unbefestigten Gehweg ausweichen. Seinen Eltern, die von diesem Ereignis ziemlich entrüstet waren, musste er versprechen, sich nie wieder vor fahrende Panzer zu legen. Jedoch muss erwähnt werden, dass er dieses Versprechen nicht gehalten hat. Denn auch mit diesem Buch legt er sich vor einen fahrenden Panzer, und zwar den Panzer der Kriegsmacher auf der Welt.
Jeder, der „hinter die Kulissen des Irakkrieges“ schauen möchte und sich nicht nur mit einseitigen Berichterstattungen zufrieden geben will, dem sei dieses Buch empfohlen. Denn auch seine unüberlesbare Friedensbotschaft und die Offenheit für das Fremde sowie der Wert, den das Buch allen Menschen beilegt, unabhängig von ihrer Herkunft, Religion, Kultur, Nation, Geschlecht, machen das Buch empfehlenswert. Der Erlös aus diesem Buch kommt einem israelisch-palästinensischen Versöhnungsprojekt in Jerusalem und einem Hilfsprojekt für irakische Flüchtlingskinder im Irak zugute.
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