Orient und Okzident – Mehr als nur eine Phantasie?

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Einrichtungshäuser, Baumärkte, Restaurants und Reisebüros versprechen auf riesigen Werbebannern den ‚Traum vom Orient‘ in den eigenen vier Wänden oder die Möglichkeit, möglichst günstig in den ‚Orient‘ zu fliegen. Wüstensilhouetten, Kamele und Beduinenzelte sollen das Fernweh der Kunden anregen. Warum aber werden immer wieder die gleichen Bilder verwendet, um ein bestimmtes Orientbild zu produzieren? Steckt hinter dieser Vorstellung womöglich mehr als nur eine Phantasie? Wessen Produkt sind diese Vorstellungen?

Hinterfragt man diese Orientalisierungen, werden drei Felder sichtbar. Diese sind: das akademische Feld der Orientalistik, die Kunst und die späte postkoloniale Debatte.

Orientalismus als Lehre

Der sogenannte Orientalismus als akademisches Fach erscheint im 18. Jahrhundert als eigenständige Disziplin. Dieses Fach spezialisiert sich auf das Studium der Originaltexte in asiatischen Sprachen. Die erste Institution dieser Art entsteht in Paris um 1795, die École des Langues Orientales Vivantes. Ihr geht es ausschließlich um die Systematisierung der arabischen und weiteren islamischen Sprachlehre. Für weitere Studien- und Forschungsarbeiten werden zahllose Wörterbücher, Grammatiken, Manuskripte, Übersetzungen und Editionen wichtiger Texte werden als grundlegende Werkzeuge geschaffen.

Im 20. Jahrhundert erlebt die Orientalistik durch die Gründung wichtiger Institutionen in Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Russland und Italien ihren Höhepunkt. In Frankreich entwickeln sich schon früh Trends, sozialwissenschaftliche Thesen mit einer Wissenschaft über den Islam zu verknüpfen. Die Veröffentlichung der Revue des Études Islamiques, herausgegeben von Louis Massignon (1883-1962) im Jahr 1927, markiert dann die Entstehung einer sozialwissenschaftlich beeinflussten Islamwissenschaft. Weitere Wissenschaftler bestärken diese Entwicklung und somit den Wandel der Orientalistik als akademisches Fach, das trotz alledem seinen sprachwissenschaftlichen Wurzeln größtenteils treu bleibt.

Orientalismus in der Kunst

Der Orientalismus in den Künsten, zumeist in der Malerei, war im Wesentlichen ein Phänomen des 19. Jahrhunderts und ist als eine Facette der Romantik anzusehen. Im 19. Jahrhundert etablierte sich die sogenannte orientalistische Darstellung als Standardfach für europäische Künstler.Sie produzierte Bilder aus dem Leben, der Geschichte und der Topographie des Osmanischen Reichs, der Arabischen Halbinsel, weiten Teilen Nordafrikas und manchmal auch des modernen Griechenlands und der Balkanländer.

Die überaus romantisierenden und verfremdenden Ansprüche der europäischen Kunst waren in der Rückschau nicht unpolitisch und postulierten eine gewisse Rückständigkeit der von ihr dargestellten Welt des Orients.  Obwohl sie bestimmte Details glaubwürdig darstellten, schwelgten die Künstler des 19. Jahrhunderts in Phantasien von Luxus, Erotik, Gewalt oder alter religiöser Geschichte.

Letztlich trugen die Künstler jener Kunstepoche mit ihren Werken nicht zu einer realistischen Darstellung und Dokumentation einer nicht-europäischen Realität bei, sondern unterstützten eine westliche Vorstellung vom (orientalischen) Mythos. Weiterlesen

20 Gedanken zu „Orient und Okzident – Mehr als nur eine Phantasie?

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